Europa: Position der Stärke gesucht, Position der Cleverness eventuell vorhanden

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Flagge der Europäischen Union. Copyright Europarat.
Flagge der Europäischen Union. Copyright Europarat.

Am 05. November fand vor dem Höchstgericht der USA die mündliche Anhörung über zahlreiche von US-Präsident Trump erlassenen Zölle statt, welche auf Basis eines Notstandsgesetzes aus dem Jahr 1977 erlassen wurden.

3 Monate vorher, am 27. Juli, verkünden Donald Trump und die Präsidentin der EU, Ursula von der Leyen, eine Einigung im transatlantischen Zollstreit.

Die Einigung war zwar eine Einigung, der Profiteur war aber wohl die USA. Anders als etwa China, das vor Zöllen aus Donald Trumps Zufallsgenerator nicht einknickte, zog es die EU vor, 15% zu akzeptieren.

Statt zuvor übrigens durchschnittlich 2,5% auf EU-Waren.

Die Befürworter der Einigung sagten, 15% wären besser als die von Trump angedrohten 30%. Mathematisch gesehen auch richtig, aber war es auch sonst richtig?

Während der Verhandlungsstil von von der Leyen durchaus pragmatisch und sachorientiert gewesen sein mag, darf nicht vergessen werden: die Zollvorstellungen von Trump waren es per se nicht. Die USA leiden zwar unter einem Handelsbilanzdefizit mit der EU, reduzieren es aber signifikant durch ihren Dienstleistungsüberschuss. Für digitale Dienstleistungen wollte Trump darüber hinaus eine Aufweichung der Digitalgesetze (verbunden mit der Drohung, sonst wieder Waren stärker mit Zöllen zu belegen). Dazu kamen auch komplette Falschbehauptungen, wie etwa, dass die europäische Mehrwertsteuer nur für US Waren gelte und dies natürlich wieder eine Benachteiligung der Vereinigten Staaten ausmache.

Das von Ursula von der Leyen geführte Europa führte die Verhandlungen vielleicht gut, aber vermarktete sie schlecht. Von der Leyen verstand es nicht, die chronische Uneinigkeit Europas durch charismatisches, energisches, publikumswirksames (=wählerwirksames) Verhandeln zu kaschieren und Europas Position der Stärke auszuspielen (oder zumindest so zu tun).

Und dabei exportiert die EU noch dazu insgesamt mehr Waren und Dienstleistungen in die USA, als umgekehrt. Trump nahm aus eine prinzipiell inhaltlich unhaltbare Verhandlungsposition ein – und hat tendenziell gewonnen.

Aber so wie man von der Leyen im April 2021 beim Besuch in Ankara auf das Sofa gesetzt hat, weil kein Stuhl neben Präsident Erdogan bereitgestellt war, so kann man auch ganz Europa auf das Sofa setzen (das funktioniert auch in der Sicherheitspolitik ganz gut). So zumindest wurde es vielerorts gesehen.

Aber zurück zum 05. November.

Das Höchstgericht ließ bei der Anhörung an diesem Tag durchblicken, dass es durchaus skeptisch sei, was die Rechtsgrundlage der Zölle der Trump-Regierung anbelange.

Die Frage ist nun, was geschieht, wenn das Höchstgericht den Zöllen tatsächlich die Rechtsgrundlage abspräche?

Da die Einigung nicht mittels einem Handelsabkommen umgesetzt wurde, sondern mit einzelnen Rechtsakten, die erst in Summe den politisch vereinbarten Inhalt bewirken, kann man zumindest davon ausgehen, dass nicht jedenfalls und unzweifelhaft alle 15% Zölle unbeschränkt in Kraft bleiben. Trump hat die Umsetzung seinerseits mit Executive Orders angeordnet.

In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit ging es nicht anders – aber möglicherweise war ja auch tatsächlich eine Portion Gewieftheit und Klugheit auf europäischer Seite im Spiel.

Ob es letztlich helfen wird, wird man sehen. Joseph Stiglitz sagte dazu im Rahmen des diesjährigen Europäischen Forums Alpbach: „Ein Deal mit Donald Trump gilt nur für den Moment. Solange, bis er die nächste Forderung stellt.“

Spätestens dann wäre es gut, wenn Europa Stärke zeigte.