Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, trat als Macher auf. Er habe jetzt „ein Machtwort gesprochen“ (O-Ton Mahrer): anstatt 4,2% werde für alle Angestellten der Wirtschaftskammern „die Gehaltsanpassung mit 2,1% ausfallen.“
So geht das also, wenn der Herr Präsident auf den Tisch haut und eine Halbierung anordnet.
Was die Öffentlichkeit aber noch nicht wusste: es war gelogen.
Denn bereits am nächsten Tag folgte die Wahrheit: es werde im ersten Halbjahr 2026 eine Erhöhung um 0% geben, im zweiten Halbjahr aber sehr wohl eine um 4,2%. Die in weiterer Folge dann auch die Basis für weitere Erhöhungen ist, also von echter Einsparung weit und breit nichts zu sehen.
Mahrer konnte sich vor anerkennenden Worten nicht retten: „Taschenspielertrick“ (Unternehmer und Investor Stefan Zöchling), „Mogelpackung“ (Industriellenvereinigung), „dilettantische Kommunikation“ (Doris Hummer, Präsidentin der WKO Oberösterreich) waren nur einige der verwendeten Prädikate. Sogar Barbara Thaler, die Tiroler WKO-Präsidentin, war „persönlich getroffen und erschüttert“. Ihr eigenes Gehalt wurde übrigens zur selben Zeit von 7.000 Euro auf über 10.000 angehoben. Da waren auch andere erschüttert.
Auch war Mahrer zu dem Zeitpunkt zusätzlich Präsident des Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank. In seiner ersten Amtszeit hat er sein Gehalt dem „Presidential-Innovation-Fellowships“ der OeNB gespendet. Nicht so in der zweiten Amtszeit, was Mahrer mit einem gestiegenen Arbeitsaufwand erklärte. In einem Amt mit nur 88.000 Euro Gage im Jahr kann ja nicht so viel zu tun sein, mögen vielleicht Mahrers Gedanken gewesen sein. Aber erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt.
Jedenfalls, nach dem erfolglosen PR-Stunt mit den Prozenten, trat er, nachdem er eine Krisensitzung am Wochenende ohne Rücktritt überstanden hatte, vor die Kameras und verkündete, er werde jetzt aus dem Präsidialamt der Nationalbank ausscheiden. Und zwar nicht mit einer halbherzigen Lösung – er sei schließlich nicht für „halbe Sachen zu haben“ (das wissen wir bereits, deswegen waren die 4,2% dann auch keine 2,1%).
Da verkehrte der eigentliche Kommunikationsprofi Mahrer – er war von 2006 bis 2010 Geschäftsführer der PR- und Strategie-Agentur Pleon Publico – die Not schließlich zur Tugend: er musste sich tatsächlich selbst loben bei diesem Auftritt, so gut hatte er alles gemacht. Alles war genau so geplant gewesen. Und jetzt sei es genau der richtige Zeitpunkt, die OeNB zu verlassen. Endlich könne er sich wieder der Wirtschaftskammer widmen (die ihm außerdem auch das bessere Gehalt bezahlt, nämlich 15.158,60 Euro, 12 x im Jahr).
Wie es nicht anders zu erwarten war, flackerte nach diesem PR-Desaster auch die Diskussion zur Pflichtmitgliedschaft, und vor allem der Kammerbeiträge, erneut auf. „Ich bin als Reformer bekannt“ attestierte Mahrer sich gleich selbst, und sah diesbezüglich keinen Handlungsbedarf.
Zur Pflichtmitgliedschaft fand er lobende Worte, „es ist ein liberale Errungenschaft, die eigenen Geschicke selbst zu verwalten.“
In der Tat. Liberalisimus und Respekt vor der Mündigkeit der Bürger sind Errungenschaften. Und werden auch immer wieder strapaziert. Meistens aber vor Wahlen, danach kaum mehr so.
Und liberale Errungenschaften sind sicherheitshalber nur innerhalb der Zwangsmitgliedschaft gut. Alles andere wäre schon ein wenig zu riskant. Die dazugehörigen Zwangsbeträge wurden für das Jahr 2024 übrigens mit 1,315 Milliarden Euro veranschlagt. Die Kosten für das hauptberufliche Konservieren des Status Quo und Festhalten an eigenen Pfründen kann man also an einem klaren Eurobetrag festmachen. Freiwillige Mitgliedschaft ist was für Schwächlinge. Bestandsgarantie dank Festschreibung in der Verfassung samt Zwangsfinanzierung ist die Kür.
Trotz alldem schleicht sich das Gefühl ein, dass Mahrer zwar noch versucht, den starken Mann zu mimen – ihm die Kontrolle aber längst entglitten ist. Also ist er weiterhin damit beschäftigt, sich selbst darzustellen. „Man kennt mich“, wie Mahrer sagt.
Schlamperei, Unkenntnis oder Vorsatz führten zu einem Desaster.
Aber Mahrer hat in einem Punkt doch gelernt, nicht immer an erster Stelle zu stehen:
„Wir haben Fehler gemacht. Ich habe Fehler gemacht.“



